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EM 2012: Chaos rund um das Danziger Stadion


EM 2012
Kurz vor EM-Beginn: Chaos rund um das Danziger Stadion

Von t-online
Aktualisiert am 05.06.2012Lesedauer: 4 Min.
Das EM-Stadion in Danzig ist noch die reinste Baustelle.Vergrößern des BildesDas EM-Stadion in Danzig ist noch die reinste Baustelle. (Quelle: Thomas Tamberg/T-Online-bilder)
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Aus Danzig berichtet Thomas Tamberg

Auf dem Weg zur nagelneuen Danziger Arena kommt man an wahrlich geschichtsträchtigem Boden vorbei. Das Fußball-Fieber steigt, die Vorfreude auf die EM 2012 in Polen und der Ukraine wird immer größer. Bis man plötzlich auf der Seite des Fußball-Stadions ankommt, die zu diesem Zeitpunkt eigentlich noch keiner sehen soll. Hier ist nichts, wie es sein soll. Ein Arbeiter spricht von einem "Albtraum".

Auch in Warschau gibt es Ärger. Vor dem EM-Eröffnungsspiel in Nationalstadion zwischen Polen und Griechenland drohen rund 6000 Arbeiter, die am Bau beteiligt waren, mit einer Blockade der Arena. Ihnen soll noch kein Geld von den Generalunternehmern und Investoren gezahlt worden sein. Die Rückstände sollen bei umgerechnet rund 25 Millionen Euro liegen. "Das sind menschliche Tragödien, viele sind verzweifelt", sagte ein Bauherr der "Bild"-Zeitung. Viele Firmen werden seit Monaten immer wieder vertröstet.

Marode Infrastruktur

Wer vom Danziger Stadtzentrum zum EM-Stadion fährt, sieht auf der rechten Seite riesige Backsteinbauten, mit unzähligen eingeschlagenen Fenstern. Er sieht Kräne, kilometerlange, längst verrostete Stahlkonstruktionen. Und dazwischen ein gewaltiges Schiff, das schon so manchem Orkan auf den Weltmeeren getrotzt haben muss. Ein wahrlich historischer Platz. Der Geburtsort der ersten unabhängigen Gewerkschaft Solidarność. Ihr erster Vorsitzender hieß Lech Wałęsa, der spätere Staatspräsident. Der unvergessene Streik von 1980 war der Beginn des Wandels der Ost-West-Beziehungen. Doch seit damals scheint sich zumindest äußerlich nicht mehr viel getan zu haben.

Ein Signal für die Welt

Wer indes seinen Kopf nach links richtet, sieht eine bestens asphaltierte Straße. Die Marynarki Polskie, die Straße zu Ehren der polnischen Marine. Die Bäume auf dem Grünstreifen in ihrer Mitte sind geschmückt mit Länderfahnen der EM-Teilnehmer. Es ist das erste Turnier dieser Größenordnung, das auf polnischem Boden stattfindet. Ähnlich wie einstmals die Gründung der Solidarność soll auch von der EM 2012 ein Signal in die Welt hinausgehen. Damals machte man sich auf den Weg nach Europa, dieses Mal will man endgültig ankommen.

Dafür haben die Polen in Danzig ein nagelneues Stadion errichtet. Die PGE Arena. Sie fasst 44.000 Zuschauer. Hier absolviert vor allem der ortsansässige Klub Lechia Danzig seine Heimspiele. Die Eröffnung musste verschoben werden, weil die Arena noch nicht ganz fertig gewesen war. Am 6. September 2011 war es dann soweit. Polen und Deutschland trennten sich damals 2:2. Mit dem neuen Danziger Fußball-Tempel verhält es sich ein wenig so wie mit der Marynarki Polskie.

Super Arena, vom Süden aus betrachtet

Im Süd-Westen, etwa 300 Meter von der Arena entfernt, befindet sich das Medienzentrum der UEFA. Hier müssen fast alle Journalisten, die Spiele in Danzig sehen möchten, ihre Passierscheine abholen. Berichterstatter aus aller Welt geben sich hier seit Tagen die Klinke in die Hand. Treten sie aus dem Gebäude heraus, blicken sie über einen großen Parkplatz auf die PGE Arena. Alles ist sauber, aufgeräumt. Startklar! Einzig der allzu dünne Rasen auf sandigem Boden in den Parkbuchten deutet leise darauf hin, dass hier wohl bis zum letzten Moment gearbeitet worden ist. Ausreichend Zeit zum Wachsen hatte das Grün jedenfalls nicht. Aber so pingelig können wohl nur Deutsche sein.

Eine einzige Baustelle

Journalisten mit nur mäßig ausgeprägtem Orientierungssinn, die auf der Suche nach dem Medienzentrum aus Versehen auf der Nord-Seite des Stadions landen, trifft jedoch der Schlag. Nichts, aber auch gar nichts ist hier fertig. Die Arena schon, aber die Infrastruktur unmittelbar davor ist eine Baustelle von gigantischem Ausmaß. Bagger fahren wild umher, Kräne, überall Lastwagen, Sandgruben. Man hat das Gefühl, hier wird gerade das Fundament für einen Wolkenkratzer gelegt.

Arbeiter kann das Chaos nicht fassen

"It´s a nightmare", stöhnt ein englischer Arbeiter, der von der UEFA beauftragt wurde, Hinweisschilder anzubringen. "Es ist ein Albtraum." Der Mann macht aus seinem Herzen keine Mördergrube. Ans Stadion komme man von dieser Seite gar nicht erst ran, alles sei abgesperrt. Gestern war er zwar an der Arena dran, aber dann hätten sie ihn eine Zeit lang nicht mehr raus gelassen. Wie das alles hier fertig werden solle, sei ihm ein großes Rätsel.

Mit "das alles hier", meint der Mann Brücken, die bisher nur im Rohbau zu erkennen sind. Zufahrtsstraßen, die aktuell nur aus Sand bestehen, Parkplätze aus Schotterbergen, aufgerissene Bürgersteige, die noch komplett neu angelegt werden müssen und unendlich viele Details, die zum Teil bereits da sind, zum großen Teil aber noch fehlen, wie Straßenbeleuchtung, Ampeln, Schilder, Straßenbegrenzungen und, und, und.

Schuften im Akkord

Den Arbeitern ist kein Vorwurf zu machen. Sie schuften im Akkordtempo, um doch noch im allerletzten Augenblick fertig zu werden. Sie sind nicht allein. Überall in der Stadt sieht man Menschen noch auf den letzten Drücker werkeln. Am 10. Juni ist Stichtag. Dann beginnt um 18 Uhr auch in Danzig die EM. Spanien trifft auf Italien.

Immerhin zwei Nationen, die Improvisationskunst durchaus zu schätzen wissen. Der ordnungsliebende Deutsche gibt frühestens im Viertelfinale in Danzig seine Visitenkarte ab. Und das steht erst am 22. Juni auf dem Programm. Bis dahin hat man ja noch jede Menge Zeit.

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